Katrin Langensiepen: Wann, wenn nicht jetzt? Für ein soziales, grünes Europa

  • Veröffentlicht am: 18. April 2020 - 0:00

Vergangene Woche feierten wir das 70-jährige Bestehen der Europäischen Union (EU). Am 09. Mai 1950 legt der damalige französische Außenminister Robert Schuman den Grundstein für die jetzige EU. Seine Idee: Die deutsch-französische Kohle- und Stahlproduktion unter Aufsicht einer europäischen Institution zusammenlegen, um Krieg in Europa unmöglich zu machen. 

Was ist daraus geworden?

Das Friedensprojekt ist geglückt. Aber die EU ist darüber hinaus gewachsen, ist zur Wirtschaftsunion geworden und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam anzugehen. 

Ja, gelebte europäischen Solidarität klappt nicht immer. Gerade im Bereich der europäischen Asylpolitik scheiterte die EU kläglich und auch zu Beginn der Pandemie schienen die Mitgliedstaaten alle ihr eigenes Süppchen zu kochen.

Das sollte uns aber nicht entmutigen.

Denn im Moment der Krise liegt auch die Chance eines Kurswechsels in Richtung eines sozialen, nachhaltigen Europa. Für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist jetzt der Moment der Wahrheit, in dem es sich zeigt, ob die EU ein politisches oder ein rein wirtschaftliches Projekt ist. Ich sage, es muss auch ein soziales Projekt sein.

Wir Grünen im Europaparlament fordern einen robusten, nachhaltigen und gerechten Aufbau-Plan von fünf Billionen Euro um die EU krisenfest zu machen und die Konsequenzen der Pandemie abzufedern. Kern ist hier die Investition in eine grüne, nachhaltige Wirtschaft, aber auch die Schaffung eines sozialen Europas.

Jahrelang wurde der Sozialstaat in vielen Mitgliedstaaten unterfinanziert. Bereits vor Corona war fast jeder vierte Mensch in der EU von sozialer Ausgrenzung und Armut bedroht. 700.000 Menschen lebten letztes Jahr ohne Obdach.

Anders als zur Finanzkrise spricht die Politik nun wieder mehr über „Menschen“ als über Zahlen und das ist gut. Das Abrücken vom Dogma der schwarzen Null zeigt uns: alles ist möglich, wenn man nur will.

Wir müssen dieses Momentum jetzt nutzen, eine mutigere europäische Sozialpolitik zu betreiben und von der EU-Kommission versprochene Gelder in die richtigen Töpfe fließen zu lassen.

Die EU muss langfristig krisenfest werden. Und krisenfest bedeutet soziale Absicherungssysteme schaffen. In der Corona-Zeit hat sich gezeigt, wo diese funktionieren und wo nicht. Deutschland schneidet vergleichsweise gut ab, in Spanien und anderen Mitgliedstaaten bedeutet die Pandemie für viele das komplette Abrutschen in die Armut. Was wir dringend brauchen, ist einen EU-Rahmen für eine angemessene Grundsicherung und faire Mindestlöhne, sowie eine EU-Strategie zur Armutsbekämpfung und zur Bewältigung der aktuellen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit.

Um jedem und jeder in Europa ein Leben in Würde zu garantieren, müssen diese Themen neben Klimaschutz endlich zur EU-Priorität werden.

Ich selbst war in Zeiten der Finanzkrise Zeuge sozialer Ungerechtigkeit und lebte mit Hartz 4. Trotzdem habe ich nie aufgehört daran zu glauben, dass wir in Europa bessere Systeme für alle schaffen können.

Vielleicht schaffen wir es ja diesmal, die richtigen Konsequenzen aus der Krise zu ziehen.